Gentechnologie

Forschung für die Menschheit oder gefährliche Geldmacherei?

Referent: Wau Holland

Anlaß für den Alterspräsidenten des Chaos Computer Clubs, einen Workshop über eine Technologie zu veranstalten, die doch so überhaupt nichts mit dem Computer und Kommunikation zu tun hat, war ein juristischer Prozeß: eine Klage der Firma Monsanto, die im Vietnamkrieg das Entlaubungsmittel Agent Orange geliefert hatte, gegen den Betreiber der Mailingliste GENESIS, deren Thema Nutzen und Risiken der Gentechnologie sind.

Der Bochumer Betreiber hatte im November in der Mailingliste ein Flugblatt mit dem Titel "Monsanto - Konzern der Gene, Gifte, Gaunereien" weitergeleitet, das anläßlich einer Gentechnik-Aktionswoche in Düsseldorf verteilt wurde. Die Werbeagentur Young & Rubicam in New York, zu deren Kunden Monsanto gehört, ließ sich auf die offene Mailingliste GENESIS eintragen und wurde so auf das Flugblatt aufmerksam. Von New York ging der Text an Y&R in Frankfurt und weiter an die deutsche Monsanto-Zentrale in Düsseldorf. Der Anwalt von Monsanto formulierte darauf eine Unterlassungsforderung über 300.000 DM und eine Klage wegen Kreditgefährdung. Dabei leistete sich Monsanto selbst einige rechtliche Ungereimtheiten: Der Internet-Berater von Y&R, der den Flugblatt-Text in der Mailingliste gefunden hatte, versicherte an Eides statt, daß er auf die Liste durch einen Verweis auf einer Webseite aufmerksam geworden war, die nachweislich nur einen Verweis auf eine andere, englischsprachige Mailingliste zur Gentechnik enthielt. Des weiteren wurde die Klage beim Landgericht Düsseldorf eingereicht, da dort die deutsche Niederlassung von Monsanto ihren Sitz hat. Begründet wurde das damit, daß ein Vergehen in einer Mailingliste an jenem Ort stattfinde, an dem die Liste zu beziehen ist.

Wau wies in diesem Zusammenhang darauf hin, daß Sysops oder Betreiber von Mailinglisten Texte wie das oben erwähnte Flugblatt unbedingt genau dokumentieren und als Zitate kennzeichnen sollten. Dann wäre eine Klage von Y&R gegen sie kaum erfolgreich.

Zur gleichen Zeit fanden in Belgien und Holland Protestaktionen von Greenpeace und anderen Organisationen gegen Gentechnologie statt. Anlaß war die Ankunft der ersten Lieferungen von genetisch manipuliertem Soja aus den USA. Reedereien und Versandfirmen gingen gerichtlich gegen die Demonstranten vor. Sie stellten Schadenersatzforderungen von einer Million BFr ($ 30.000) pro Person und Stunde gegen jeden, der sich den Schiffen auf weniger als 1 km näherte.
In Amsterdam wurde ein Greenpeace-Schiff festgesetzt, und in den USA wurden Demonstranten sogar für eine Woche in Gewahrsam genommen.

Genmanipulationen an Pflanzen finden zur Zeit hauptsächlich mit dem Ziel statt, eine Resistenz gegen Pestizide zu erhalten, und zwar genau gegen die Pestizide, die von der Mutterfirma der Saatgutkonzerne hergestellt werden.
Denn der weitaus größte Teil der Saatgutproduktion gehört der chemischen Industrie. In diesem Zusammenhang stellt unser geltendes Urheberrecht ein großes Problem dar: Die Saatgutkonzerne haben den allergrößten Teil der existierenden Pflanzen registrieren lassen, was bedeutet, daß Landwirte gezwungen sind, das Saatgut ausschließlich über diese Firmen zu beziehen. Viele dieser Pflanzen sind nicht fortpflanzungsfähig, weshalb die Landwirte jedes Jahr neues Saatgut kaufen müssen; nach geltendem Recht ist es ihnen in vielen Fällen sogar verboten, Samen aus der eigenen Ernte als Saatgut zu benutzen!

Besonders betroffen sind von dieser Politik Länder in der Dritten Welt: Saat-Multis lassen sich die dort heimischen Pflanzen patentieren und verlangen anschließend unter Androhung von Vertragsstrafen von den dort ansässigen Bauern, das Saatgut von ihnen zu kaufen.
Die Gefahren, die gerade durch die Pestizidresistenz für den Menschen drohen, sind weitgehend unabsehbar. Naheliegend ist, daß viele Landwirte durch die Resistenz zum übermäßigen Einsatz von Pestiziden neigen, da ihre Pflanzen von diesen Mitteln ja völlig unbeschädigt bleiben. Damit gelangen verstärkt Giftstoffe in die Nahrungskette.
Ob die gleichen Gene, die eine Pestizidresistenz codieren, eventuell auch zur Bildung von Stoffen in der Pflanze führen, die für den Menschen schädlich sein könnten, kann ebenfalls kaum jemand voraussagen.
Eine besondere Gefahr geht von der Antibiotikaresistenz aus, die mit der Pesitizidresistenz verbunden ist. Tatsächlich ist dieser Effekt von den Konzernen erwünscht; das Saatgut wird so lange mit Antibiotika behandelt, bis nur die resistenten Samen übriggeblieben sind. Doch die Übertragbarkeit dieser Gene auf Bakterien kann nicht ausgeschlossen werden, was zu einer massiven Zunahme von therapieresistenten Krankheitserregern führen kann.

Die Bürger werden weitgehend im Unklaren darüber gelassen, wo tatsächlich gentechnische Experimente stattfinden und womit experimentiert wird. Als Wau von einem Projekt in der Nähe von Marburg berichtete, verglich er dessen Informationspolitik mit der Sprengung der Erde durch die Vogonen in Douglas Adams’ "Per Anhalter durch die Galaxis": Die Vogonen hatten darauf hingewiesen, daß man doch über die geplante Sprengung im Galaktischen Amtsblatt auf Alpha Centauri hätte lesen können. Das Amtsblatt entsprach in diesem Fall nun das der EU, in dem die Genehmigung der geplanten Genexperimente nachzulesen war. Nur: Welcher Normalbürger kommt auf die Idee, ausgerechnet in diesem Blatt nachzulesen, das die meisten ja nicht einmal dem Namen nach kennen? Und so wird nun auf einem Versuchsacker bei Marburg genetisch verändertes Saatgut angebaut, der Nebenbetrieb der Uni Gießen, der die Versuche ursprünglich durchführte, wurde mittlerweile von Hoechst aufgekauft. Auf Kritiker mag man natürlich nicht gerne hören; Bundesforschungsminister Rüttgers erklärte ohnehin, daß sie doch Menschen mit "kranken Gehirnen" seien.
Diese Art des Umgangs mit Kritikern ruft natürlich radikalere Gegner der Gentechnik auf den Plan, die sich nicht auf friedliche Demonstrationen beschränken, sondern einen solchen Acker einer kurzen Salzwasserbehandlung unterziehen, eine Maßnahme, die über Jahrzehnte hinweg Wirkung zeigt. Wau fragte, ob eine solche Entwicklung wirklich als wünschenswert angesehen werden kann.

Nicht unerwähnt bleiben sollte, daß der Versuchsacker bei Marburg Teil des FACTT-Projektes ist, dessen Hauptziel es ist, unter Aufwendung von Millionen an Steuergeldern die Akzeptanz von Genmanipulationen in der Bevölkerung zu fördern. Doch während sich die Konzerne abgesichert durch Gesetze hauptsächlich um ihr Ansehen in der Öffentlichkeit kümmern, dauert es nur zwei oder drei Vegetationsperioden, bis sich manipulierte Gene durch Pollenflug weit über die Grenzen der Versuchsäcker hinaus verbreitet haben.

Trotz dieser Gefahren sollte die Gentechnologie nicht pauschal abgelehnt werden. Zwar überwiegen in der Landwirtschaft die Gefahren den Nutzen um ein Vielfaches, doch ist die Möglichkeit der Genmanipulation vor allem im Bereich der Medizin differenzierter zu sehen. In der Diskussion, die sich an den Vortrag anschloß, wurde unter anderem das Beispiel des gentechnisch hergestellten Humaninsulins erwähnt: Hoechst wurde durch Proteste und rechtliche Probleme gezwungen, die Produktion ins Ausland zu verlagern.
Die Zahl der Demonstranten wäre womöglich viel geringer gewesen, wenn ihnen bekannt gewesen wäre, welchen Fortschritt diese Herstellungsweise für Diabetiker bringt: Bevor es möglich war, sie mit gentechnisch gewonnenem Insulin zu versorgen, waren sie oft auf Insulin von Rindern und Schweinen angewiesen, welches aber wegen einiger Unterschiede zum menschlichen Insulin zu schweren Abwehrreaktionen mit Folgeschäden wie Erblindung führen kann. Bei bisher unheilbaren Krankheiten wie Krebs und AIDS setzen Forscher große Hoffnungen in die Gentechnik und tatsächlich hat es schon eine Reihe von erfolgversprechenden Versuchen gegeben.

Doch auch der medizinische Einsatz der Gentechnik kann fragwürdig werden: Die vorgeburtlichen Diagnose von Erbkrankheiten durch Gentests ist zwar mittlerweile ein Routineverfahren, doch sind viele dieser Krankheiten nach wie vor nicht heilbar. Und es gibt Vertreter der Krankenversicherungen, die einer Frau, bei deren Kind eine Krankheit wie Mucoviscidose diagnostiziert wird, die mit einer fortdauernden, kostenintensiven Behandlung verbunden ist, gerne eine Abtreibung nahelegen würden, wenn es nur die gesellschaftliche Akzeptanz und eine gesetzliche Grundlage dafür gäbe.

Gentechnik sollte also weder unkritisch befürwortet, noch vorbehaltlos verteufelt werden. Wau hatte sogar ein Beispiel für sinnvollen Einsatz in der Landwirtschaft: Er befürwortet genetisch manipuliertes Marihuana, das auch im kalten Europa einen vernünftigen THC-Gehalt aufweist, denn THC sorgt bei der Pflanze für eine natürliche Resistenz gegen Schädlinge.

Bjoern Schott

Links zum Thema:
http://www.geocities.com/siliconvalley/2656/medizin.html


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